Hallo Herr Dr. Rodler, warum ist Prostatakrebs in Deutschland unter Männern die häufigste Krebserkrankung? Was macht die Erkrankung so gefährlich?
Das Prostatakarzinom ist ähnlich wie der Brustkrebs der Frau ein Massenphänomen. Immer noch wird das Prostatakarzinom verharmlost und die Vorsorge nicht ernstgenommen. Dabei ist es so: Ein metastasiertes Prostatakarzinom ist nicht heilbar, weshalb man dann bereits von einer palliativen Behandlungssituation spricht. Die Erkrankung selbst bleibt dabei die längste Zeit unbemerkt, weil sie keine Frühsymptome verursacht. In diesen frühen Stadien könnte das Prostatakarzinom aber noch geheilt werden. Deshalb kämpfen die urologischen Fachgesellschaften seit Jahren für die flächendeckende Bezahlung des PSA-basierten Prostatakrebsscreening.
Wann und wie häufig kommt es zu einem operativen Eingriff? Wie sieht dieser konkret aus?
Jährlich erkranken ca. 65.000 Männer in Deutschland am Prostatakarzinom. Davon werden etwa 27.000 operiert. Bei den anderen Patienten liegt entweder eine zu weit fortgeschrittene Erkrankung vor oder es wird eine alternative Behandlung gewählt. Eine Prostatektomie umfasst die operative Entfernung der gesamten Prostata sowie den Samenblasen. Nach Entfernung der Prostata wird die Harnröhre direkt an die Harnblase genäht und für einige Tage zum Schutz ein Katheter eingelegt. Nach Entfernung des Katheters endet dann meistens der Krankenhausenthalt und der Patient geht nach Hause. In der modernen Medizin hört hier aber die Behandlung nicht auf. Vielmehr weiß man, dass eine gute Rehabilitation hilft, mögliche postoperative Probleme wie erektile Dysfunktion oder Inkontinenz wieder zu verbessern. Neuere Studien legen zudem nahe, dass die Rehabilitation eigentlich auch bereits vor dem Eingriff beginnen sollten.
Der öffentliche Diskurs über Prostatakrebs ist überschaubar. Woran liegt das und brauchen wir eine andere gesellschaftlichen Begegnung mit dem Thema?
Das Prostatakarzinom ist immer noch ein Tabuthema, über das nicht gerne gesprochen wird. Männer wollen nicht als schwach wahrgenommen werden und die Gesellschaft lässt sich auf die Debatte einer hochqualitativen Versorgung nicht ein. Dabei ist die adäquate Behandlung des Prostatakarzinoms auch volkswirtschaftlich wichtig, weil viele Männer betroffen sind, die noch im Berufsleben stehen.
Beckenbodentraining gilt als weibliche Domäne. Weshalb existiert dieses Vorurteil und wie häufig begegnet es Ihnen?
Beckenbodentraining wird oft mit Schwangerschaft assoziiert. Und das ist auch richtig, weil es hier für junge Frauen sehr wichtig ist. Genauso wichtig ist es aber auch für Männer bei Prostataoperationen – nur dass es hier ganz anders funktioniert. Das wird aber häufig übersehen, und Männer machen dann Übungen, die keinen Sinn ergeben. Sehr häufig höre ich dann in Sprechstunden, dass Patienten online Videos gesehen haben, die nicht funktionieren – weil diese Videos eben für die falsche Zielgruppe entwickelt sind. Beckenbodentraining für Männer ist komplex und wenige Physiotherapeuten haben sich hierauf spezialisiert.
Das Uroletics-Angebot geht über das Beckenbodentraining hinaus. Was genau kann die App noch?
Die App ist ein umfassender Therapiebegleiter, der das Wissen von zwei Urologen der Uniklinik München sowie Beckenbodentherapeuten, Psychoonkologen und Patienten vereint. So legt die App den Fokus auf den Alltag des Patienten und zielt darauf ab, diesen zu verbessern. Abgestimmte Wissensinhalte mit Alltagstipps, aber auch Infos rund um Komplikationen helfen den Patienten, Situation besser einzuschätzen und immer das Beste für die eigene Gesundheit zu tun.
Wie „persönlich“ ist die Betreuung innerhalb der App?
Die Betreuung in der App ist sehr persönlich. Die beiden Gründer sind in der App sehr präsent und geben über die detaillierten Wissensinhalte Einblick in die Versorgung auf Spitzenniveau. Man merkt genau, dass dies nicht nur irgendein digitales Produkt eines Start-ups ist, sondern ein passgenaues Medizinprodukt, das eine echte Herzensangelegenheit der beiden Urologen ist.
Digitale Angebote haben in der Gesundheitsversorgung in den letzten Jahren stark zugenommen. Warum sind sie so wichtig?
Digitale Angebote haben das Potential, Versorgungslücken effektiv zu schließen und können Patienten im Alltag begleiten. So kann die Spitzenmedizin aus den universitären Zentren in die Peripherie getragen werden. Das ist aus meiner Sicht die eigentliche Stärke von digitalen Produkten.
Um Prostatakrebs früh zu erkennen, kann in Deutschland jeder krankenversicherte Mann ab 45 Jahren jährlich eine Tastuntersuchung der Prostata in Anspruch nehmen. Welche Bedeutung hat diese Früherkennungsform?
Die Tastuntersuchung ist weiterhin eine wichtige Komponente der Vorsorge, sollte aber nicht alleine eingesetzt werden. Neueste Publikationen aus dem letzten Jahr unterstreichen dies. Die Tastuntersuchung hilft größere Tumore zu detektieren, besitzt aber eine niedrige Sensitivität. Das heißt, dass viele Männer trotz unauffälliger Tastuntersuchung einen Prostatakrebs haben können.
Eine weitere Methode der Früherkennung ist der PSA-Test. Wie bewerten sie diesen aus medizinischer Sicht?
Die PSA-basierte Vorsorge ist entscheidend und wurde auch in der aktuellen Leitlinie abermals so hervorgehoben. Wir sehen aktuell in Deutschland leider eine Diskrepanz zwischen der fehlenden Erstattung der PSA-basierten Vorsorge und der Datenlage. PSA-Tests sollten im Verlauf abhängig von der Höhe des PSA-Wertes wiederholt werden. Findet der Urologe auffällige PSA-Werte, so werden diese heutzutage mittels MRT und Biopsie weiter abgeklärt.
Nähere Informationen zu Uroletics gibt es hier.