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Innovative Herzvorsorge mit mobilem Langzeit-EKG – „Die Arztpraxen sparen viel Zeit“

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nach wie vor die Todesursache Nummer eins. Dabei gibt es schon heute digitale Untersuchungsmethoden, die ein ebenso einfaches wie engmaschiges Monitoring ermöglichen. Die HanseMerkur bietet ihren Versicherten, für die ein Erkrankungsrisiko wahrscheinlich ist, ein passbildgroßes mobiles Langzeit-EKG. Das Gerät myritmo ist kabellos, sodass Kunden es selbst zu Hause anbringen können. Entwickelt hat diese innovative Vorsorgeform das Hamburger Start-Up dpv–analytics. Dr. med. Stephan Kranz (Geschäftsführer und Nuklearmediziner) und Mario Steuer (Director Sales) erläutern, wie das Produkt genau funktioniert und wie es am Markt angenommen wird.

Jedes Jahr erleiden in Deutschland fast 270 000 Menschen einen Schlaganfall, fast 70.000 von ihnen sind von einem Rezidiv, einem wiederholten Schlaganfall betroffen. Aus Ihrer medizinischen Expertise heraus: Warum sind diese Zahlen so hoch?

Dr. Stephan Kranz:Das hat mehrere Gründe: So leben in Deutschland leider immer noch sehr viele Menschen mit beinflussbaren Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, in der Folge Bluthochdruck oder Diabetes. Diese sind oft ursächlich für Ablagerungen in den Gefäßen. Wenn dadurch eine Engstelle in einem Hirngefäß entsteht und die Durchblutung unterbrochen wird, kommt es zum Schlaganfall. Ein anderer Risikofaktor ist das Alter selbst. Zum Glück werden wir immer älter, aber damit steigt das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. So beobachten wir mit zunehmendem Alter die Anzahl von Patienten mit Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern. Diese Herzrhythmusstörung ist aber ein wichtiger Risikofaktor für Schlaganfälle. Und leider gehört auch dies zur Wahrheit: Zu einem nicht geringen Anteil finden wir als Mediziner keine Ursache für einen Schlaganfall.

 

Wieso ist das öffentliche Interesse bei diesen doch so hohen Fallzahl verhältnismäßig gering?

Dr. Stephan Kranz: Eine gute Frage. Einerseits wurde in Deutschland ein gut funktionierendes Netz an spezialisierten Abteilungen zur Behandlung von akuten Schlaganfällen, so genannten Stroke-Units, kontinuierlich aufgebaut. Andererseits ist die Prävention von Schlaganfällen, zumindest im öffentlichen Fokus, eher zurückgegangen. Dabei war Vorhofflimmern als wichtiger Risikofaktor für Schlaganfälle bis zum Ausbruch der Corona Pandemie durchaus im Fokus. So gab es Diskussionen, dass ein Screening auf diese Herzrhythmusstörung sehr sinnvoll wäre. Das hat dann auch Niederschlag in den Leitlinien gefunden. Dann kam Corona und hat die medizinischen Fachgesellschaften beschäftigt. Aktuell ist die Wichtigkeit der Herzvorsorge wieder in den Mittelpunkt gerückt und findet Ausdruck durch Initiativen wie der Nationalen Herz-Allianz.

 

Herzkrankheiten betreffen häufig Männer; gleichzeitig ist die Sterberate bei Frauen deutlich höher. Woran liegt das?

Dr. Stephan Kranz: Dass sich Krankheiten bei Frauen mitunter anders äußern, ist schon lange bekannt, rückt aber erst in den letzten Jahren in den Fokus. So werden geschlechtsspezifische Symptome zunehmend im Medizinstudium vermittelt. Andererseits zeigen Studien, dass insbesondere ältere Frauen länger warten, bis sie sich Hilfe suchen. Hier ist mehr Aufklärung gefordert, wie sie z. B. die Deutsche Herzstiftung unter dem Motto „Frauenherzen schlagen anders“ betreibt.

 

Sie sprechen bei myritmo von innovativer Herzvorsorge. Wie funktioniert das Mini-EKG genau?

Dr. Stephan Kranz: Wir haben Innovationen in verschiedenen Bereichen stark vorangetrieben. Das ist einmal das Aufzeichnungsgerät, das Mini-EKG selbst. Es ist klein, etwa so groß wie eine Streichholzschachtel, und benötigt keine Kabel. Es kann auch durch medizinische Laien, also jeden Kunden selbst, sehr einfach auf die Brust geklebt werden. Nach der Untersuchungszeit kann es auch selbst wieder abgenommen werden und je nach Anwendungsfall an dpv-analytics zurückgesandt werden oder in der Arztpraxis abgegeben werden. Überhaupt sparen die Arztpraxen viel Zeit: Die Daten werden einfach über ein Portal an unser Auswertezentrum übermittelt. Dort kommt der zweite Innovationsstrang zum Tragen. Eine hochmoderne Analysesoftware mit KI-Algorithmen wertet die Daten sehr schnell und präzise aus und unterstützt unser ärztliches Personal bei der Validierung der Ergebnisse. Wir vertrauen also nicht der KI allein: Jedes EKG wird ärztlich freigegeben.

 

Wie ist die Idee zu diesem innovativen Produkt entstanden?

Dr. Stephan Kranz: Als Gesellschafter einer großen kardiologisch-angiologischen Praxis waren wir selbst auf der Suche nach einem modernen Langzeit-EKG System, das nicht mehr mit Kabeln arbeitet und zudem die Bindungszeit durch ärztliches Personal aber auch Praxispersonal reduziert. Da wir kein entsprechendes Angebot gefunden haben, haben wir die Entwicklung eines solchen Systems selbst in die Hand genommen und dpv-analytics gegründet.

 

Die künstliche Intelligenz, die Sie erwähnen, analysiert die Messungen. Wie leistungsstark ist diese Technologie?

Dr. Stephan Kranz:Wenn man sich überlegt, dass ein Langzeit EKG etwa 100.000 Herzschläge pro Tag aufnimmt und diese mit herkömmlichen Systemen durch einen Menschen begutachtet werden müssen, kann man sich vorstellen, dass dies viel Zeit in Anspruch nimmt und dadurch die Anzahl der möglichen Untersuchungen begrenzt ist. Durch eine KI kann die Auswertung dramatisch verkürzt werden. Dabei verlassen wir uns nicht alleine auf die KI. Die Software wertet das EKG aus und macht einen diagnostischen Vorschlag. Sie leitet den Arzt/die Ärztin dann zu den auffälligen Stellen im EKG und dieser/diese kann dann sehr schnell die KI-Diagnose validieren. So kann die Versorgungsqualität trotz entstehendem Ärztemangel, gerade in ländlichen Regionen, sogar gesteigert werden.

Dr. med. Stephan Kranz, Nuklearmediziner und Geschäftsführer dpv-analytics GmbH

Dr. med. Stephan Kranz, Nuklearmediziner und Geschäftsführer dpv-analytics GmbH | dpv-analytics GmbH

Was sind die Vorteile gegenüber der konventionellen Vorsorge? Ersetzt myritmo bestehende Angebote?

Mario Steuer: Die Vorsorge in der Praxis werden wir durch myritmo nicht vollständig ersetzen können. Aber wir sind der Meinung, dass ein Großteil der Diagnostik ohne Arztkontakt durchführbar ist. So kann ein Langzeit-EKG mit myritmo zu Hause erfolgen, da das Gerät von den Patienten selbst angebracht werden kann. Für einen möglichst einfachen Umgang durch Laien wurde es extra konstruiert. Die Vorsorge in der Praxis erhält mit einer solchen Untersuchung im Vorfeld eine andere Qualität und kann zielgerichteter erfolgen.

 

Wer sind Ihre Stakeholder im täglichen Business und auf welche Resonanz stoßen Sie im Dialog mit ihnen?

Dr. Stephan Kranz: myritmo wird von Arztpraxen, Krankenhäusern, gesundheitsbewussten Menschen oder wie bei der HanseMerkur von Krankenversicherungen eingesetzt. Wir können dabei stolz sagen, dass die Resonanz durchweg positiv ausfällt. So überzeugen die Patienten die einfache Handhabung des Mini-EKGs und die medizinischen Kollegen die hohe Befundqualität und Zeitersparnis. Es wird für viele Praxen dadurch möglich, eine sehr sinnvolle Untersuchung mehr Patienten anzubieten, als das bisher möglich war.

 

Für das gesundheitsbewusste Klientel bieten Sie das Mini-EKG auch direkt auf Ihrer Website an. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Mario Steuer: Viele Kunden berichten uns davon, dass die medizinische Versorgung mit immer längeren Wartezeiten oder z. B. in etlichen ländlichen Regionen mit weiten Wegen verbunden ist. Durch unser Angebot kann die Wartezeit deutlich verkürzt werden. Auch ist es egal, wo Sie wohnen: Das Gerät wird einfach zugeschickt und der Kunde kann die Untersuchung bequem zu Hause durchführen. Das empfinden alle Kunden als immensen Vorteil. Wenn gewünscht, vereinbaren wir nach der Untersuchung ein Gespräch mit unseren ärztlichen Mitarbeitern und besprechen die Ergebnisse. Hierfür nehmen wir uns viel Zeit. Und das wird durch die Kunden auch honoriert.

Mario Steuer, Director Sales dpv-analytics GmbH

Mario Steuer, Director Sales dpv-analytics GmbH | dpv-analytics GmbH

Brauchen wir im deutschen Gesundheitswesen mehr medizinische Innovationen? Welche Rolle spielen Start-Ups?

Dr. Stephan Kranz: Um dem demographischen Wandel in der Medizin zu begegnen, brauchen wir innovative Ideen. Gerade mit den Möglichkeiten der Digitalisierung haben wir aber ein Werkzeug in der Hand, dass die Medizin strukturell und qualitativ verbessern kann. Start-Ups arbeiten dabei in der Regel agiler als Großkonzerne und sind auch darauf angewiesen, ihre Produkte schnell in den Markt zu bekommen. Es gibt in Deutschland unzählige, sehr innovative Start-Ups. Ich würde mir in Deutschland dabei manchmal ein wenig mehr Mut wüschen, wie Sie ihn bei der Hanse Merkur haben, um vielen Menschen diese Ideen zur Verfügung stellen zu können.

 

Wie wird der Myritmo vom Markt angenommen und wo sehen Sie Herausforderungen im Vertrieb?

Mario Steuer: Myritmo wird sehr gut im Markt angenommen. Wobei wir uns in einem eher konservativen Marktumfeld bewegen. Die Digitalisierung läuft in weiten Teilen des Medizinmarktes eher schleppend. Aber sobald ein Kunde unser System einsetzt, möchte er es nicht mehr missen. Denn am Ende überzeugt die hohe medizinische Qualität und die deutliche Zeitersparnis in den Arztpraxen.