Welche Bedeutung hat es für Sie, dass Sie die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen durften?
Das war ein tolles Gefühl! Der Kanute und Olympiagieger Max Rendschmidt hat die Fahne bei der Abschlussfeier getragen, so dass ich sie symbolisch von ihm übernommen und nach Paris getragen habe. Das war ein wichtiges Zeichen für den Kanusport und für mich eine ganz besondere Ehre.
Als Diplom-Sporttherapeutin am BG Klinikum Hamburg arbeiten Sie mit Menschen, die gerade eine Behinderung erworben haben. Was ist Ihr oberstes Ziel bei dieser Arbeit und mit welchen – manchmal ungewöhnlichen Mitteln - erreichen Sie es?
Mein erstes Ziel ist es, den Patienten dort abzuholen, wo er gerade ist. Priorität hat dabei die Mobilität, also den Patienten in die Bewegung zu bringen, damit er wieder ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Der Rollstuhl ist dabei positiv belegt. Er ist das Mittel, das uns Mobilität ermöglicht. Patienten müssen gut mit ihm umgehen können, er muss passen und er darf auch gern gut aussehen, damit man sich darin wohlfühlt.
In der nächsten Phase finden wir heraus, was den Patienten interessiert und wo ich ihn sportlich anbinden kann. Das kann eine Handbike-Gruppe sein, die sich regelmäßig trifft, was wiederum den Radius des Patienten vergrößert und ihm Unternehmungen mit Familie und Freunden ermöglicht. Es gibt viele Hilfsmittel für den Alltag. Ich bin in der Position natürlich mehr als eine reine Therapeutin, weil ich aus eigener Erfahrung sprechen kann, mich viel über Innovationen informiere und die Dinge auch selbst teste.
Der Anschluss an Sportvereine hilft bei der Entstigmatisierung. Die Patienten finden dort Ansprechpartner für den ungewohnt neuen Alltag. Sie knüpfen soziale Kontakte, spüren ihre Leistungsfähigkeit und bekommen ein neues Selbstbewusstsein. Bis zur Pandemie hatte ich ein Tauchprojekt. Wasser ist barrierefrei und wir können uns darin in alle Richtungen bewegen. Die Patienten können sich am Anfang nicht vorstellen, dass das funktioniert. Nach dem Training sind sie stolz auf sich und stellen sich anschließend auch anderen Herausforderungen im Leben nach dem Motto: Einfach machen!
Alle vier Jahre stehen die Sportler der Olympischen und Paralympischen Spiele viel stärker im Fokus der Öffentlichkeit als bei Europa- oder Weltmeisterschaften. Wie schaffen Sie es, sich auf Ihren Wettkampf zu fokussieren oder wirkt sich die Aufmerksamkeit sogar positiv auf Ihre Vorbereitung aus?
Schade, dass diese Öffentlichkeit nur alle vier Jahre stattfindet. Zu der Qualifikation im Kanu und Para-Kanu 2019 kamen Fernsehteams, um darüber zu berichten. In dem zehnminütigen Beitrag, der daraus entstanden ist, wurden die Parakanuten mit keinem Wort erwähnt. Die Paralympics sind bedeutend, denn die Menschen können nur Verständnis für etwas aufbringen, das sie kennen und sehen. Es ist so wichtig zu zeigen, dass Menschen mit Behinderung leistungsfähig sind, zu den Besten der Welt gehören können und dabei mitten im Leben stehen.
Heute starten endlich die Parakanu-Rennen. Was sind ihre sportlichen Ziele für Paris 2024?
Wenn man erfolgreich war, ist der Druck besonders hoch. Kanu ist eine Outdoorsportart, das heißt, wir sind auch von äußeren Faktoren abhängig. Ich bin eine der leichtesten Athletinnen, Gegenwind und Seitenwind machen mir mehr zu schaffen als jemandem, der mehr Gewicht mitbringt und den Wetterbedingungen besser trotzen kann. Die Leistungsdichte ist hoch: sechs Athletinnen kommen in knapp 1,5 Sekunden durchs Ziel und 200 Meter Rennstrecke lassen kaum Raum für Fehler. Mein Ziel ist eine Medaille, welche Farbe die hat, werden wir sehen.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und drücken die Daumen!