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HanseMerkur Preis für Kinderschutz: „Heldenakademie“ leistet wichtige Arbeit im Kampf gegen Mobbing bei Kindern und Jugendlichen

Von ehemals besten Freunden ignoriert und aus Chat-Gruppen entfernt werden, ohne zu wissen, was man falsch gemacht hat: Mobbingerfahrungen sind bei Kindern und Jugendlichen eher die Regel als Ausnahme. Sie ist Teilnehmerin des Programms „Heldenakademie“, mit dem sich der Helden-Verein für nachhaltige Bildung und Persönlichkeitsentwicklung e. V., kurz Helden e.V., der umfassenden Mobbing-Problematik bei Kindern und Jugendlichen widmet.

Die Erfahrung von Mia ist leider kein Einzelfall und begegnet dem Helden e. V. in seinen Programmen sehr häufig. Fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland waren schon einmal von (Cyber-) Mobbing betroffen. Damit ist kein negatives soziales Phänomen bei Kindern und Jugendlichen stärker verbreitet. Und: Keines hat kurz- und langfristig so negative Folgen. Sie sind vielfältig und reichen von geringem Selbstwertgefühl und Schlafstörungen bis hin zu Depressionen, Suizidgedanken und Suizid. In den letzten Jahren hat sich die Situation durch die COVID-19-Pandemie dramatisch verschärft. Denn neben dem Unterricht und den sozialen Kontakten haben sich auch Ausgrenzungen und Mobbing ins Internet verlagert. So überrascht es nicht, dass seit der letzten Cyberlife Studie im Jahr 2017 der Wert bei den Befragten, die Opfer in einer (Cyber-) Mobbingsituation geworden sind, um 36 Prozent gestiegen ist.

Teilnehmende lernen Verantwortung zu übernehmen und Werte zu verteidigen

Das Programm „Heldenakademie“ will junge Menschen zu „Heldinnen“ oder „Helden“ machen, indem sie dazu ermutigt werden, für sich und andere Verantwortung zu übernehmen, ihre eigenen Werte und Wünsche zu verteidigen und nicht wegzuschauen, wenn in Mobbing-Situationen aktives Handeln gefordert ist. Um mit der Heldenakademie möglichst viele Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse erreichen zu können, kooperiert der Verein mit vielen Jugendherbergen in ganz Deutschland. Auf einer Klassenreise entsteht eine besondere und intime Stimmung, die in keinem Schulgebäude erzeugt werden kann. Der perfekte Ort, um das Programm mit Schulklassen und Hortgruppen durchzuführen.

„Eine Heldenakademie kann ein bis drei Tage dauern. Die Inhalte wählen wir nach einem Baukastenprinzip, je nach Alter der Teilnehmenden und der verfügbaren Zeit aus“, erklärt Thorsten Kröber, einer der Gründer des Vereins. Die Heldenakademie beginnt immer in einem Kreis, sodass alle Beteiligten sich sehen und sich gesehen fühlen. Zum Kreis gehören die Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte und zwei Coaches, die durch das Programm führen.

Eine der leitenden Personen teilt mit einer Schulklasse ihre persönlichen Erfahrungen über die Auswirkungen von Mobbing, einschließlich der schmerzlichen Folgen, die es haben kann, wenn solche Probleme unbemerkt bleiben. Eine sonst sehr lebhafte Klasse wird während dieser eindringlichen Schilderung ruhig. Solche persönlichen Erfahrungen dienen oft als „Eisbrecher“ und schaffen direkt zu Beginn eine intime Atmosphäre. Diese Form der persönlichen Vorstellungsrunde bildet stets den Auftakt der Akademie und ermutigt die Teilnehmenden, sich ebenfalls zu öffnen.

Praktische Übungen fördern ein besseres Verständnis

Ein nächster wiederkehrender Baustein einer Heldenakademie sind gemeinsame Übungen, um die Methode des Bystander-Effekts erfahrbar zu machen. Auch als Zuschauereffekt bekannt, beschreibt er das Phänomen, dass Augenzeugen eines Unfalls oder kriminellen Übergriffs weniger oft eingreifen oder Hilfe leisten, wenn weitere Zuschauer anwesend sind bzw. hinzukommen. Verhaltensweisen, die auch häufig beim Mobbing auftreten. Praktische Übungen, Reflexion im Plenum und der Bezug zu theoretischen Hintergründen und Effekten durch die Coaches wiederholen sich bei jedem Baustein der Heldenakademie. Außerdem werden die Schülerinnen und Schüler dazu ermutigt, persönliche Erfahrungen zu teilen.

Erzählen die Jugendlichen ihren Klassenkameradinnen und Klassenkameraden während der Heldenakademie, dass sie oder andere sich unwohl oder schlecht behandelt gefühlt haben, kann mithilfe der Coaches ein Normen- und Werterahmen für die Gruppe geschaffen werden, in dem alle so sein können, wie sie möchten. „In jeder Klasse gibt es Mobbing in unterschiedlichen Ausprägungen. Wir möchten mit unserem Programm einen Wandel von Intervention zu Prävention schaffen“, erklärt Kröber seine Wunschvorstellung. „Denn durch die Heldenakademie werden die Kinder und Jugendlichen für Entstehungsprozesse von Gewalt sensibilisiert, um Ausgrenzung und Mobbing zu erkennen und dazu befähigt einzugreifen.“

Persönliche Motivation potenzieller Coaches ist entscheidend

Das Programm der Heldenakademie richtet sich in erster Linie an Kinder und Jugendliche einer Gruppe – vorrangig Schule oder Hort. Bei jedem Workshop erhalten die Lehrer und Eltern zusätzlich das Angebot, in die Prozesse einbezogen zu werden und auf einem Elternabend eigene Fragen zu besprechen und Hilfestellungen zum Thema (Cyber-) Mobbing zu erhalten. „Noch mehr mit Lehrern und Eltern zu arbeiten, wäre präventiv ein großer Schritt, um dem (Cyber-) Mobbing entgegenzuwirken. Leider fehlen hier, insbesondere auf Seite der Lehrkräfte, die Ressourcen“, erzählt Kröber von seinen Erfahrungen.

Um für die präventive Arbeit der Heldenakademie Coaches auszubilden, hat der Helden e. V. sein eigenes Ausbildungsprogramm entwickelt. Gesucht werden Menschen, die Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen haben. Viel wichtiger ist Kröber aber die persönliche Motivation der Bewerber für die Ausbildung. Es braucht Menschen, die es wie Kira mit ihrer persönlichen Erfahrung schaffen, dass die Kinder und Jugendlichen ihnen zuhören und sich öffnen. Die Ausbildung findet drei Wochen am Stück in einem Selbstversorgungshaus statt. Der Ort ist bewusst gewählt, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Gruppe zusammenwachsen und agieren müssen. Zusätzlich zum theoretischen Input und zu Teamaufgaben ist das Erreichen von Frustrationsgrenzen ein wichtiger Teil: „Darauf aufbauend lässt sich das Wirkmodell des Vereins am verständlichsten erklären und die Teilnehmenden lernen, sich ehrliches Feedback zu geben“, erklärt Kröber. 

Es ist beeindruckend, wie Kinder und Jugendliche durch die Heldenakademie für das Thema (Cyber-) Mobbing sensibilisiert und ermutigt werden, nicht wegzuschauen, wenn Andere in ihrem Umfeld ausgegrenzt werden. Deswegen wurde das Projekt mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz ausgezeichnet.

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