Frau Dr. Buckard, wie entspannt man im Urlaub denn nun „richtig“?
"Nicht wenige Menschen füllen ihre arbeitsfreie Zeit zwar mit vielfältigen Aktivitäten, erleben jedoch keine echte Erholung. Perfektionismus, Ehrgeiz, Prestige, Leistungsdenken und Konsumzwang bestimmen nicht nur das Arbeitsleben, sondern auch das Freizeitverhalten. Hektische Betriebsamkeit, Ungeduld und die Angst, etwas zu verpassen, lassen keinen Raum für innere Ruhe. Für den Erholungswert kommt es entscheidend darauf an, dass die Freizeit, wie auch immer sie gestaltet wird, tatsächlich ein Gegengewicht zu den Belastungen in Alltag und Beruf schafft. Erholsame Aktivitäten in der Freizeit sind bestimmt durch die Freude am Tun selbst, weniger am Ergebnis. Nicht der Zweck der Tätigkeit steht im Vordergrund, sondern Spaß, Lust und Genuss. Kurzum: In der Freizeit sollte man vom „Human Doing“ zum „Human Being“ wechseln."
Im Urlaub kommt es gern mal zu Streit mit den Mitreisenden, zum Beispiel dem Partner und Kindern. Wie lässt sich dies vermeiden?
"Die Vermeidung fängt schon bei der Planung an! Als Paar oder Familie sollte man sich schon vor dem Urlaub gemeinsam überlegen, wie dieser aussehen soll. Besonders wichtig ist es, Erwartungen zu klären und offen auszusprechen – aber dabei immer realistisch bleiben! Es ist nicht zielführend, alle im Laufe eines Jahres aufgestauten Erwartungen (z.B. nach einer erfüllten Partnerschaft und einer instagram-tauglichen Familienidylle) auf den Urlaub zu projizieren. Liegen die Karten aller Beteiligten dann offen auf dem Tisch, können Pläne und erste Kompromisse geschmiedet werden."
Was, wenn alle Mitreisenden unterschiedliche Dinge vom Urlaub erwarten?
"Wenn die Wünsche zu unterschiedlich sind, empfiehlt es sich, statt fauler Kompromisse im Urlaub lieber ein paar Tage getrennte Wege zu gehen oder „Patchworkurlaub“ zu machen. Zunächst tut jeder etwas für sich, um dann anschließend gemeinsam etwas zu unternehmen."
Bei Reisen passieren vom Packprozess über die Anreise bis hin zum Alltag vor Ort unerwartete Dinge, die Urlauber ordentlich stressen können. Wie kann ich bei Flugausfällen und Co. entspannter bleiben?
Um in stressigen Momenten mit Kids, bei Flugausfällen, Staus oder Problemen vor Ort lohnt es sich, die 4-A-Strategie zu verinnerlichen. Also: Annehmen, Abkühlen, Analysieren und dann Aktion oder Ablenkung.
Konkret bedeutet das, die Situation als gegeben anzunehmen und sich auf die Handlungsoptionen zu konzentrieren, anstatt das Problem zu bewundern. Ich nehme mir also einen kurzen Moment, um zu überlegen, was ich als Nächstes tun kann oder muss (Kinder trösten? Zum Serviceschalter oder zur Rezeption gehen?). In Schritt 2 heißt es Abkühlen. Das gelingt am besten durch bewusste, tiefe Atemzüge. Ich atme mindestens zwei- bis dreimal tief ein und aus, im Rhythmus Einatmen dabei bis vier zählen, Ausatmen dabei bis sieben zählen. Das lange Ausatmen aktiviert den Parasympathikus, der die körperlichen Reaktionen wieder nach unten reguliert. Danach geht’s ans Analysieren: Kann ich etwas ändern? Oft ist es so, dass man an der Situation nichts ändern kann, außer so besonnen wie möglich mit ihr umzugehen. In diesem Falle kann z. B. Humor eine gute Art und Weise sein, mit der Situation umzugehen. Der finale Schritt ist die Abwägung zwischen Aktion und Ablenkung. Wenn an der Situation etwas geändert werden kann (und sich das auch lohnt), kann man in Aktion treten. Kann ich an der Situation nichts ändern oder lohnt sich der Aufwand nicht, dann lenke ich mich ab.
Oftmals kommt es schon am Flughafen zu ersten Reibereien. Wie lässt sich das vermeiden?
Langsam auf Erholung umschalten, nicht mit Vollgas. Das Ziel ist es, möglichst ohne Hektik in den Urlaub zu gehen. Das heißt: Direkt am Ende eines Arbeitstages zum Flughafen zu fahren oder ins Auto / die Bahn zu steigen, birgt riesiges Stress- und damit auch Konfliktpotenzial. Der Urlaub sollte mit mindestens einem Tag des Abschaltens beginnen.
Wie kann ich Konflikte mit der Familie und Freunden während der Reise schnell und schmerzfrei lösen?
Die Konfliktlösungen fangen mit einer deeskalierenden Kommunikation zwischen den Gesprächspartnern an. Mit sogenannten Ich-Botschaften gelingt das sehr gut: Ich beschreibe meine Beobachtung ohne Bewertung und drücke meine Gefühle aus, lege meine Bedürfnisse dar. Ich formuliere meinen Wunsch an den anderen, statt ihn mit Vorwürfen zu bombardieren. Zum Beispiel: „Ich wünsche mir, dass du heute mit uns einen Strandspaziergang machst, das ist für mich eine der schönsten Urlaubsaktivitäten“ statt „Immer kapselst du dich von uns ab, du Egoist!“ Kurzum: Wünsche anstelle von Vorwürfen formulieren.