Der Vortrag nahm Bezug zu Teilen seines Bestsellers „Von der Pflicht“: In gedanklichen Siebenmeilenstiefeln spannte Precht den Bogen unter anderem von der Entwicklung des Liberalismus (freiheitliches Verhältnis des Individuums zum Staat) und der Menschenrechte (ohne Verbesserung der Lebensqualität wertlos) über das Aufkommen des Für- und Vorsorgestaates (Tuberkulose- und Brandschutzvorschriften, aus denen auch die ersten Versicherer hervorgingen) bis hin zum Utilitarismus (das Wohl der Gemeinschaft unterliegt dem Wohl der persönlichen Beziehung) sowie Verhältnis von Fairness- und Neidgesellschaft (je fairer, desto neidischer). Was nach einer geradezu unmöglichen Vermischung von Themen klingt – Precht gelang es.
Abschließend beantwortete er Fragen der Moderatorin Mareile Braun und des Publikums. Dr. Andreas Gent, Aufsichtsratsvorsitzender der HanseMerkur Krankenversicherung AG und Geschäftsführer des Deutschen Reiseversicherungsfonds, fragte beispielsweise, ob Precht sein Gefühl teile, dass die Politik immer dann, wenn es schwierig werde, ein Hilfspaket schnüre, statt die Probleme als solche anzugehen? Precht stimmte zu: Die deutsche Politik wolle den Menschen nichts mehr zumuten. Unpopuläre Maßnahmen wären inzwischen seltene Ereignisse der Vergangenheit. Heute habe man eine Politikkultur, die vor jeder Wahl den Weihnachtsmann spiele und Geschenke verteile oder zumindest verspreche. Große ordnungspolitische Veränderungen blieben dabei auf der Strecke.
Es war ein erhellender, sehr abwechslungsreicher und anregender Nachmittag im Liberté, der mit großem Applaus endete.