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Overtourism als Gesundheitsrisiko: So schaden die Massen Körper und Seele

Von Halstatt über die Kanarischen Inseln bis Bali: Overtourism bereitet berühmten Orten weltweit große Sorgen. Laut einer aktuellen HanseMerkur-Umfrage* identifizieren 42 Prozent der Deutschen überfüllte Strände und Sehenswürdigkeiten als einen der Hauptstressfaktoren im Urlaub. Dass mit den Menschenmassen ökologische Probleme und eine teils starke Beeinträchtigung der Lebensqualität der Einheimischen einhergeht, ist weithin bekannt. Nicht vergessen werden sollte das Gesundheitsrisiko, das Overtourism für Reisende und Einheimische bedeutet. Unser HanseMerkur-Gesundheitsexperte Folke Tedsen gibt Tipps, wie Sie trotz Overtourism gesund bleiben.

1. Stress und Angst im Gedränge

Luftaufnahmen an manchen Sehenswürdigkeiten oder auch Haltestellen von Bus und Bahn zeigen, wie sich unzählige Menschen drängen, um den schönsten Blick oder besten Platz zu erhaschen. Falls überhaupt vorhanden, werden Sicherheitskonzepte sowie Pläne für die Lenkung von Besucherströmen dem Andrang in der Hochsaison oftmals nicht Herr. Die Folge für alle, die sich im Gedränge befinden und eigentlich einen entspannten Urlaub verbringen möchten: Stress oder je nach bei psychischer Vorbelastung sogar Angstzustände und Panik. Bei der Ochlophobie, der krankhaften Angst vor Menschenmengen, können Gedränge und Massen eine Panikattacke mit Symptomen wie Pulsbeschleunigung und Schwindel auslösen.

HanseMerkur-Gesundheitstipp von Folke Tedsen:

„Mal ehrlich: welches Bild entsteht in Ihrem Kopf beim Begriff „Entspannung“? Sehen Sie sich an einem einsamen Sandstrand? Ihren unverstellten Blick auf Schönheiten der Natur oder der Architektur? Wenn Sie nicht zur Gruppe der „Schulpflichtigen“ gehören, die leider mit den Massen Urlaub machen müssen, weichen Sie auf die weniger heimgesuchte Nebensaison aus: die südländische Natur blüht und grünt im April, das Meer ist im Herbst noch immer warm, eine Metropole hat im November oft ihren besonderen Charme. Moderne Museen reagieren auf den Andrang: wenn die Eintrittsslots bereits Wochen vor dem Besuch ausgebucht sind, haben Sie gute Chancen auf ein entspannteres Erlebnis. Lieber spontan: Entdecken Sie kleine Ausstellungen, dort freut man sich über Ihren Besuch und Sie erleben Unerwartetes. Wer mit Kindern unterwegs ist, weiß, das Stadt, Museum oder Mall ohnehin nicht das Lieblingsziel der Kleinen ist und dass Sie mit ihren Kindern lieber Wimmelbild spielen, anstatt sie im Gewimmel zu suchen. Halten Sie Ausschau nach Unterkünften mit Spiel- oder Sportmöglichkeiten und einer schönen Abendterasse mit Blick auf die Stadt - und genießen Sie nach einem wohldosierten Rummel „im Abseits“ die Ruhe.“

Folke Tedsen, Abteilungsleiter Leistungs- und Gesundheitsmanagement sowie KundenServiceCenter

Folke Tedsen, Abteilungsleiter Leistungs- und Gesundheitsmanagement sowie KundenServiceCenter | HanseMerkur

2. Selfies und Selbstüberschätzung – gefährliche Kombination

Die Beliebtheit gewisser Sehenswürdigkeiten und Destinationen wurde durch Social Media zusätzlich befeuert. Getreu des Mottos „Photo or it didn’t happen“ gehören möglichst einzigartige Schnappschüsse zum Urlaub dazu. Dies treibt aber gefährliche Blüten: Absperrungen werden ignoriert, Felsklippen erklommen, Warnungen ignoriert – alles für das perfekte Foto. Nicht selten enden solche gefährlichen Amateur-Stunts mit schmerzhaften Verletzungen, manchmal sogar mit dem Tod. Eine ähnliche Form der Selbstüberschätzung zeigt sich am Mount Everest, der inzwischen von Horden motivierter, aber unerfahrener Bergsteuer erklommen wird. 2019 gab es beispielsweise in nur zwei Wochen elf Tote am höchsten Berg der Welt, 2023 starben dort so viele Hobby-Kletterer wie nie zuvor. Selbstüberschätzung, gepaart mit einem Ikonenstatus gewisser, teil schwer zu erreichender Orte, schafft den Nährboden für Gefahr für Leib und Leben. Unfälle in unwegbarem Gelände, also zum Beispiel in den Bergen, ziehen neben schmerzhaften Blessuren hohe Bergungskosten für die übermütigen Reisenden nach sich.

HanseMerkur-Gesundheitstipp von Folke Tedsen:

„Vielleicht ist das ja ein Vorteil der AI? Man muss sein Leben für diese Social Media Fotos nicht mehr riskieren, man muss noch nicht einmal mehr hinfahren. Scherz beiseite. In der Tat kommt Menschen manchmal der Respekt vor der Natur abhanden. Gefahren werden unterschätzt, wenn diese durch Hilfestellungen und Ausrüstung scheinbar von jedem gemeistert werden können. Je leichter die Bergbahnen den Berg erreichbar gemacht haben, umso mehr haben Wetter und Widrigkeiten, gepaart mit Unkenntnis und Leichtsinn, Menschen in Gefahr gebracht. Inzwischen ist zudem das Netz voller Bergtourbeschreibungen, von erfahrenen Kraxlern erstellt. Der Deutsche Alpenverein hilft Ihnen mit der BergwanderCard des DAV, sich richtig einzuschätzen und die Aussicht auch wirklich genießen zu können. Und kommen wir zum Foto zurück. Kein Foto kann mit dem Eindruck mithalten, der in Ihrem Kopf entsteht. Die Weite eines Sees, das Rund von Berggipfeln, das unglaubliche frische Frühlingsgrün im Laubwald – auf Bildern manchmal einfach nur langweilig. Achtsamkeit heißt auch: Genießen Sie den Blick, nicht den Schnappschuss.“

 

3. Foto first, Gesundheit second: Risiko Warteschlange

An beliebten, nicht professionell organisierten Fotospots wie Streetart-Kunstwerken rund um den Globus, Tempeln und Wasserfällen auf Bali herrschen oft endlose Warteschlangen. Bei der Lauer auf den perfekten Foto-Moment – aus der besten Perspektive, ohne Personen im Hintergrund – kann es teilweise zu stundenlangen Wartezeiten in der prallen Sonne kommen. Nicht selten sind Sonnenbrände, ein Sonnenstich oder ein Kreislaufkollaps die Folge. Fieber, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel oder sogar Ohnmacht – ein hoher Preis, den Reisende für den perfekten Schnappschuss zahlen.

HanseMerkur-Gesundheitstipp von Folke Tedsen:

Wenn Sie wissen, dass sie solche Aufnahmen – ohne AI Retouchieren - machen wollen, suchen Sie sich wieder Randzeiten, saisonal oder eben auch früh morgens oder spät abends. Manchmal ist das Licht dann ohnehin besonders. Das schützt auch vor dem Sonnenstich. Wobei in heißen Zeiten ein Sonnenschutz auf Haut und Kopf und eine Flasche Wasser im kleinen Gepäck auch ohne Fotoexpedition immer Ihr Sommer-Begleiter sein sollte. Und noch eine Anregung: Warum wollen Sie ein Foto machen, dass so viele andere auch schon gemacht haben, dass qualitativ meist besser im Internet steht? Suchen Sie Ihren individuellen Blickwinkel, Ihr besonderes Motiv. Das macht Ihr Foto einzigartig, drückt aus, was Sie wahrnehmen. Überrascht Betrachter und erinnert Sie an besondere Urlaubserlebnisse abseits vom Mainstream.“

 

*Bevölkerungsrepräsentative Online-Umfrage des unabhängigen Marktforschungsinstituts HEUTE UND MORGEN im Auftrag der HanseMerkur. Es wurden 2.082 Personen im Alter von 18 bis 70 Jahren (bevölkerungsrepräsentativ zum Schwerpunkt „Stressfaktoren rund um Urlaub“) befragt.