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Nie war mehr Anfang als jetzt: Tourismusgipfel des BTW

Tourismus zwischen Aufschwung und fordernden Rahmenbedingungen: Beim Tourismusgipfel des Bundesverbands der deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) diskutierten Branchenentscheider und hochkarätige Politiker über den Status Quo und die Zukunft. Als einer der führenden Reiseversicherer war auch die HanseMerkur im Hotel Adlon in Berlin dabei. Katrin Rieger, Bereichsdirektorin Reisevertrieb Deutschland, erlebte in der Hauptstadt einen Tag mit viel Inspiration.

Dass es im Urlaub immer mal zu Steinen im Weg kommen kann, wissen wir als Reiseversicherer am besten – passenderweise mussten die Organisatoren des Reisegipfels direkt am mit einer Hürde zurechtkommen: einem Stromausfall im Hotel Adlon. Davon ließen sich die krisenerprobten Touristiker aber die Laune nicht verderben: „Wir machen einfach weiter, schnallen Sie sich an!“, stimmte Sven Liebert, Generalsekretär des BTW, das Publikum auf den Tag ein. Zu Beginn wurden die Erwartungen der geladenen Gäste abgefragt. „Ich freue mich auf den Austausch mit der Branche und wertvolle Denkanstöße“, erklärte Katrin Rieger von der HanseMerkur. Diese lieferte direkt Norbert Fiebig, der stellvertretende Präsident des BTW, der für den erkrankten BTW-Präsidenten Sven Hartmann einsprang und die Eröffnungsrede hielt. Fiebig hatte hinsichtlich der Kundennachfrage viel Positives zu berichten, die organisierten Reisen weisen einen Zuwachs von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf, Mittelmeer-Destinationen und die Kreuzfahrt boomen. Ein besonders erfreuliches Signal für den Zusammenhalt in der Tourismuswirtschaft: Der Branchenverband BTW verzeichnet 2024 bereits einige neue Mitglieder – darunter auch die HanseMerkur. Eine starke Branche mit viel Relevanz – wirtschaftlich wie gesellschaftlich. „Tourismus schafft Toleranz und ist ein Stabilisator“, so Fiebig. Bei viel Licht gibt es aber auch Schatten: „Die Umsätze sind gegenüber dem Vor-Corona-Jahr zwar um 16 Prozent gestiegen, aber wir verzeichnen einen Gästerückgang um 14 Prozent. Diese Lücke darf kein Trend werden!“, mahnte Norbert Fiebig. Zudem seien die Luftverkehrssteuererhöhung und die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer negative Signale aus der Politik. Zudem warnte er vor dem Entwurf der Pauschalreise-Richtlinie, der in der Branche für Bauchschmerzen sorgt.

Was benötigt die Touristik, um zu florieren?

Direkt im Anschluss an Fiebigs Rede betrat direkt jemand aus dem innersten Zirkel der deutschen Politik die Bühne: Wirtschaftsminister und Vizekanzler Dr. Robert Habeck. „Ich gratuliere dem BTW zum 25. Jubiläum des Tourismusgipfels – und kann Ihnen schon jetzt sagen, dass es auch in den kommenden 25 Jahren keinen Gipfel geben wird, bei dem Sie sagen ‚Alles super‘“, eröffnete Habeck seine Rede. Der Wirtschaftsminister unterstrich die Bedeutung der Branche, die er an zwei Schlagworten und einer Konsequenz aus diesen festmachte: „Reisen ist erstens gelebte Freiheit und zweitens Wohlstand, eine verdiente Belohnung. Die Konsequenz daraus ist, dass Tourismus dafür sorgt, dass Vorurteile nicht zu Urteilen werden, sondern er bringt Menschen zusammen“. Dr. Robert Habeck warb für „mehr Lebensfreude in Deutschland“, für die es auch langsam wieder Grund gäbe, da die Wirtschaft insgesamt Fahrt aufnehme. „Es gibt in schwierigen Zeiten drei Möglichkeiten: Nölen, Negieren oder ehrlich sein und anpacken. Ja, der Boden schwankt, aber wir können das mit vereinten Kräften ausbalancieren, wenn wir mehr ‚all hands on deck‘ leben“, bat Habeck. In Richtung Branche sendete er ein klares Signal: „Die Pauschalreise-Richtlinie ist überbürokratisiert, da gebe ich Ihnen Recht. So werden wir nicht damit leben“.

Auf den Besuch des Wirtschaftsministers folgte ein Panel zum Thema „Zukunftsland. Was der Wirtschaftsstandort Deutschland jetzt braucht“. Zu Problemen und Lösungen diskutierten Bernd Bauer (CEO von Discover Airlines), Ingo Burmester (CEO Dertour Group) und Denis Hüttig (Senior Vice President Deutsche Hospitality). Es herrschte Einigkeit über die größten Herausforderungen: Bürokratisierung, Regulierung, zum Beispiel in Form der Pauschalreise-Richtlinie, hohe Standortkosten, Fachkräftemangel und das Streben nach Nachhaltigkeit. Zudem wurde „Fieber gemessen“: Ein interaktives Stimmungsbarometer stellte die Stimmung in der deutschen Touristik dar. Das Ergebnis war nicht schlecht, aber es gibt Luft nach oben, denn die Anwesenden bewerteten die Lage im Schnitt mit 3,9 von 5 Punkten.

© Svea Pietschmann/BTW

Auf den Besuch des Wirtschaftsministers folgte ein Panel zum Thema „Zukunftsland. Was der Wirtschaftsstandort Deutschland jetzt braucht“. Zu Problemen und Lösungen diskutierten Bernd Bauer (CEO von Discover Airlines), Ingo Burmester (CEO Dertour Group) und Denis Hüttig (Senior Vice President Deutsche Hospitality). Es herrschte Einigkeit über die größten Herausforderungen: Bürokratisierung, Regulierung, zum Beispiel in Form der Pauschalreise-Richtlinie, hohe Standortkosten, Fachkräftemangel und das Streben nach Nachhaltigkeit. Zudem wurde „Fieber gemessen“: Ein interaktives Stimmungsbarometer stellte die Stimmung in der deutschen Touristik dar. Das Ergebnis war nicht schlecht, aber es gibt Luft nach oben, denn die Anwesenden bewerteten die Lage im Schnitt mit 3,9 von 5 Punkten. 

Wirtschaftswende, Verkehrswende – aber wie?

Unter dem Titel „Warum Deutschland eine Wirtschaftswende braucht“ betrat im Anschluss Jens Spahn, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Bühne im Hotel Adlon. „Ich habe den Eindruck, in der Regierung sind lauter Schönredner“, kritisierte er. Auf das „Warum“ in seiner Frage erklärte Spahn, dass zunächst wirtschaftliches Wachstum notwendig sei, bevor Geld verteilt werden kann – insbesondere in einer alternden Gesellschaft. Bei der Frage nach dem „Wie?“ verwies er darauf, dass Deutschland ein Angebots- und kein Nachfrageproblem habe. Als Konsequenz wirbt er für Steuersenkungen auf Investitionen, um Unternehmern mehr Raum zum Agieren einzuräumen. Der Tourismuswirtschaft bot er einen Pakt an: die niedrige Mehrwertsteuer zu behalten, die Arbeitszeit zu flexibilisieren und Anreize für (Mehr-)Arbeit steuerlich zu begünstigen. „Wir müssen rauskommen aus der Stimmung ‚Das Beste liegt hinter uns‘“, so Spahn. Auf die Publikumsfrage, warum seine Partei denn in ihrer langen Regierungszeit keine Wirtschaftswende eingeleitet habe, entgegnete Spahn: „Vor der Pandemie hatten Sie in der Branche mit ihre besten Tage.“
Im Folgepanel ging es mit Expertinnen und Experten von der Deutschen Bahn, dem ADAC, dem Bustouristik-Verband RDA, dem Münchener Flughafen und der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion um das Thema touristische Infrastruktur. Hier zeichnete das Stimmungsbarometer ein eher düsteres Bild: Die Lage wurde von den Anwesenden mit einem traurigen Emoji beschrieben. Benedikt Esser (RDA) brachte es auf den Punkt: „Wir haben zwei Infrastrukturhaufen vor uns: den einen basierend auf dem Stillstand der letzten 30 Jahre, den anderen aufgrund der Schuldenbremse als Ausrede für Stillstand – da brennt der Baum!“ Der ADAC ermahnte die Politik, nach vorn zu blicken und die Verkehrswege nicht gegeneinander auszuspielen. Eine interessante Zahl gab er mit auf den Weg: Nach wie vor reisen ¾ der Deutschen mit dem Auto in den Urlaub. Stefanie Berk (DB) hofft auf die nächste Haushaltsrunde: „Es gibt derzeit Investitionswillen, der Rückstau ist aber so hoch, dass wir weitere Mittel benötigen, um zu sanieren, modernisieren und digitalisieren.“ Die Frage, die stets im Raum schwebte: Woher soll das Geld kommen? Isabel Cademartori (SPD) glaubt nicht an Steuersenkungen, sie plädiert für Infrastrukturfonds.

© Svea Pietschmann/BTW

© Svea Pietschmann/BTW

Fazit: Weniger Bürokratie, weniger reden, mehr machen!

Im Rahmen seiner Keynote bescheinigte Bundesjustizminister Marco Buschmann Deutschland einen „Bürokratie-Burnout“ und eine „bürokratische Verliebtheit in Einzelfallentscheidungen“. Er plädierte am Beispiel der handschriftlich auszufüllenden Meldezettel in deutschen Hotels dafür, dass einige Vorgänge definitiv „reif für das Bürokratiemuseum sind“. Nachdem Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe des Landes Berlin, in ihrem Impuls-Vortrag mit Nachdruck an die Airlines appellierte, die Zahl der Berlin-Flüge zu erhöhen und mit viel Herzblut für „ihr“ Berlin warb, rundete ein Panel zum Thema „Touristischer Mittelstand in Gefahr?“ den Tourismusgipfel des BTW ab. Hierbei zeigte die Branche noch einmal, wie sehr sie vom Herzblut ihrer Akteure lebt. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des DEHOGA Bundesverbands, legte mit Nachdruck ihre Forderungen an die Politik dar: „Jeder ist gefordert, das Beste zu geben. Das erwarte ich auch von Politikern!“
„Weniger reden, mehr machen, aufhören, in Bürokratie zu versinken – das ist unterm Strich der Auftrag an die Politik“, zog Katrin Rieger von der HanseMerkur am Ende des Tages Bilanz. „Ich fand bei aller Kritik und Problemen die positive Grundhaltung, auch von politischer Seite, toll: Reisen verbindet!“ Katrin Rieger, die selbst als Mentorin für junge weibliche Fachkräfte in der Branche aktiv ist, lobte zudem die Präsenz der Initiative MoFeT („Movement for Female Transformation“), die sie unterstützt. „Es hat mich zudem besonders gefreut zu sehen, dass einige Panels sogar mehr Frauen als Männer hatten – dies ist ein Spiegel der sehr weiblich geprägten Branche“, lobte die Bereichsdirektorin Reisevertrieb Deutschland. 
 

© Svea Pietschmann/BTW