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13. November 2023 Zurück

Fit für den Wintersport-Urlaub: Tipps einer Ärztin

Blaue Flecken und kleinere Blessuren sind häufige Begleiterscheinungen, wenn Sportler im Schnee und auf dem Eis unterwegs sind – ob auf Kufen, auf dem Snowboard oder auf Skiern. Leider sind auch Missgeschicke, die schwerer wiegen und zum Arztbesuch führen, keine Rarität. Besonders oft trifft es Knie, Schulter, in schweren Fällen auch den Kopf. Um Verletzungen vorzubeugen und im Ernstfall gut gewappnet zu sein, gibt es einige ärztliche Ratschläge, die begeisterte Wintersportler sich zu Herzen nehmen sollten. Dr. Gabriele Stumm, Leiterin Medizin bei 4sigma, einem Gesundheitsdienstleister mit Sitz in Oberhaching, mit dem die HanseMerkur zusammenarbeitet, verrät im Interview, worauf Aktive achten sollten.

Wer hat ein erhöhtes Risiko für Wintersportverletzungen?

Dr. Gabriele Stumm: Grundsätzlich verletzen sich Wintersportler vor allem dann, wenn die nötige Kondition und Kraft fehlen. Damit steigt nämlich auch die Sturzgefahr. Somit sind Untrainierte, ältere Menschen oder alkoholisierte Sporttreibende die häufigsten Risikogruppen. Und auch jene, die den Pistentag bis zur letzten Minute auskosten wollen. Die meisten Wintersporttreibenden - selbst die Trainierten - verletzen sich am Ende eines langen Tages auf der Piste. Koordination und Kraft, aber auch Konzentration gehen zur Neige. Es sind vor allem unkontrollierte Stürze, die dann leicht zu Verletzungen führen.

Wie kann man diesen und weiteren Blessuren vorbeugen?

Wer mit ausreichend Kraft und Koordination angemessen auf Hindernisse, Unebenheiten und anspruchsvolle Passagen reagieren kann, reduziert sein Unfallrisiko. Doch Muskulatur und Gleichgewichtssinn bauen sich nicht kurzfristig auf. Idealerweise sollte also jeder das ganze Jahr über sportlich aktiv sein und an der eignen Fitness arbeiten. Das bedeutet im Klartext: regelmäßig mindestens zweimal die Woche Kraft und Ausdauer trainieren. Gleichgewichtsübungen sind für alle Anforderungen des Alltags sinnvoll, nicht nur auf dem Berg. Gutes Gleichgewicht beugt Stürzen jeglicher Ursache vor und stabilisiert mit dem Training der unbewussten Haltemuskulatur zudem die Gelenke. Auch das hilft ebenfalls abseits der Piste, z.B. bei Rücken- oder Knieschmerzen. Am einfachsten trainiert man sie auf einer instabilen Unterlage, und das jeden Tag: Ein Balanceboard vor dem Waschbecken zum Zähneputzen auf einem Bein – schon sind 3x1 Minute Koordinationstraining für jedes Bein an jedem Tag geschafft.

Was gilt für diejenigen, die sich das Jahr über nicht auf den Wintersport vorbereitet haben?

Unbedingt ausreichend Pausen einlegen! Da reicht der Lift oder die Gondel zwischen den Abfahrten alleine oft nicht aus. Also ein zweites Frühstück einplanen und auch zwischendurch auf ein Getränk oder einen Snack anhalten.

Welche Verhaltensregeln gibt es auf der Piste?

Es gilt das Gleiche wie im Autoverkehr: vorausschauend fahren, keine unnötigen Risiken eingehen, nur so schnell unterwegs sein, dass man noch rechtzeitig bremsen kann. Ob Anfänger, Wiedereinsteiger oder Routinier: Unter sachkundiger Anleitung in einer Ski- oder Snowboardschule lernt man – ähnlich wie bei Fahrschule oder Fahrsicherheitstraining – nicht nur das sichere Fahren an sich, sondern auch wie es am meisten Spaß macht.

Die wichtigste Regel beim Wintersport lautet aber „Rücksicht nehmen“. Gerade wenn die Schneebedingungen sehr überschaubar sind, drängeln sich zu bestimmten Zeiten alle Wintersporthungrigen auf den wenigen befahrbaren Pisten. Die Lösung ist antizyklisch fahren: früh starten, ein gemütliches zweites Frühstück, wenn es voll wird, und dann mittags fahren, während die Massen in den Skihütten sitzen. Werden die Pistenverhältnisse schwierig, ist frühzeitig aufhören sinnvoller, als bei der überfüllten letztmöglichen Talfahrt Kopf und Kragen zu riskieren.

Welche Rolle spielt die Ausrüstung?

Natürlich gehört zum Schutz auch eine gute Ausrüstung. Bevor es los geht, sollten Ski und Bindung zum Service. Manchmal gehören beide eher ins Antiquariat als auf die Piste. Wer selten fährt und den tiefen Griff in den Geldbeutel scheut: Bequem vor Ort ausleihen spart Schleppen und Verstauen des eigenen Materials, man ist stets auf dem neuesten Stand der Technik und bekommt manchmal auch günstige Testangebote. Definitiv gehört ein Helm auf den Kopf – das ist längst nicht mehr uncool und man muss sich heute eher genieren, wenn man oben ohne fährt. Doch auch ein Helm hält nicht ewig, das Material wird spröde und gehört alle drei bis fünf Jahre ersetzt – nach Stürzen, bei dem der Helm beansprucht wurde, sogar unmittelbar.

Welche Herausforderungen treten für den Körper bei Sport in großer Höhe auf? Wie kann man diesen als Sportler begegnen?

Wer sicher Schnee haben möchte, muss immer höher hinauf. Das kann zum Problem werden: Untrainierte verlieren nach Angaben von Lungenfachkräften ab 1.500 Metern Höhe pro 100 Meter zusätzlicher Höhe ein Prozent ihrer maximalen Sauerstoffkapazität – das heißt, ihr Blut kann weniger Sauerstoff speichern und zu den Organen tragen. Die akute Höhenkrankheit tritt bei etwa jedem fünften Bergsportler ab 2.500 Metern Höhe auf, bei 3.000 Metern trifft es bereits vier von zehn Personen. Sie beginnt typischerweise nach einem schnellen Aufstieg mit Unwohlsein und Appetitlosigkeit, rasch kommen Kopfschmerzen, Übelkeit, ein erhöhter Puls, Kurzatmigkeit und Schlafstörungen hinzu. Die sinnvollste Vorbeugung ist die Akklimatisation: Hält man sich in einer Höhe von 2.000 bis 3.000 Metern auf, sollte man erst eine Nacht darüber schlafen, bevor es zum Sport geht – übrigens Sommer wie Winter. Alle 1.000 Meter ist eine zusätzliche Nacht auf gleicher Höhe empfehlenswert. Wer also hoch hinaus will, sollte sich mit Übernachtungen in hoch gelegenen Alpenhütten oder Unterkünften vorbereiten. Menschen mit Krankheiten wie Diabetes mellitus, koronarer Herzkrankheit und einer leichten COPD (chronisch obstruktiven Lungenerkrankung) haben an sich kein erhöhtes Höhenkrankheitsrisiko. Allerdings können sich die Symptome ihrer Grunderkrankung wegen des niedrigen Sauerstoffgehalts verstärken. Wer also bei Anstrengungen Angina pectoris oder Atemnot kennt, sollte sich besser tiefer gelegene Gebiete suchen.

Dr. Gabriele Stumm