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Dup15q
Hamburg, 1. Oktober 2024 Zurück

Hessischer Verein „Dup15q e.V.“ wird für seine unermüdliche Unterstützung von Menschen mit Dup15q-Syndrom mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz geehrt

Der HanseMerkur Preis für Kinderschutz – die bundesweit renommierte Auszeichnung für außergewöhnliche Leistungen im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes – geht an den Dup15q e.V. aus Hofheim am Taunus für sein herausragendes Projekt zur Unterstützung von Menschen mit Dup15q-Syndrom. Der Verein leistet betroffenen Familien Hilfe und setzt sich für die Forschungsförderung ein, für den Aufbau einer spezialisierten klinischen Versorgung und nicht zuletzt für die Öffentlichkeitsarbeit rund um die noch weitestgehend unbekannte Erkrankung. Die Preisverleihung findet am 01. Oktober 2024 am Unternehmenssitz der HanseMerkur in Hamburg statt.Dup15q e.V. wird mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet und erhält 10.000 Euro zur weiteren Förderung des Projekts.

Das Dup15q-Syndrom ist eine genetisch bedingte, neurologische Erkrankung, die etwa eines von 15.000 Neugeborenen betrifft und zu motorischen, sprachlichen und kognitiven Entwicklungsstörungen, deutlichen Verhaltensauffälligkeiten sowie bei einigen Betroffenen zu schwer behandelbarer Epilepsie führt. Da die Erkrankung noch weitestgehend unbekannt ist, bleiben Eltern von betroffenen Kindern häufig lange im Ungewissen, was ihrem Nachwuchs eigentlich fehlt.

So erging es auch Verena Romero, einer der Vereinsgründerinnen. Ihre Tochter Chiara zeigte früh eine Entwicklungsverzögerung und hatte häufige epileptische Anfälle, bis schließlich die Diagnose Dup15q gestellt wurde. Die jahrelange Ungewissheit und das Gefühl der Machtlosigkeit führten sie dazu, gemeinsam mit anderen Eltern den Dup15q e.V. zu gründen.

Hilfe und Unterstützung für betroffene Familien von Dup15q-Kindern
Seit 2020 unterstützt der Dup15q e.V. betroffene Familien, indem er umfassende Informationen über das Syndrom bereitstellt, Forschungsprojekte fördert und sich für eine spezialisierte klinische Versorgung einsetzt.

Die Etablierung der interdisziplinären Dup15q-Spezialsprechstunde, welche seit Oktober 2022 gemeinsam vom Institut für Humangenetik, dem Sozialpädiatrischen Zentrum und der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg angeboten wird, war einer der ersten großen Erfolge des Vereins.

Langfristige Begleitung und wissenschaftliche Forschung
Die Spezialsprechstunde in Heidelberg bietet nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch Unterstützung für die Familien im Alltag. Und nicht nur die Familien, die die Spezialsprechstunde besuchen, haben einen Mehrwert von der umfassenden medizinischen Versorgung. Auch die Mediziner lernen von den kleinen Patientinnen und Patienten der Spezialsprechstunde.

„Ein epileptischer Anfall ist wie ein Gewitter im Gehirn. Das, was das Kind in dem Moment gelernt hat, was gerade passiert ist, geht verloren. Wenn ein Mensch 20 solcher Gewitter am Tag hat, kann er nicht gut lernen und sich nicht mehr konzentrieren. Deshalb ist es gerade bei Kindern besonders wichtig, schnell zu handeln, um ihre Entwicklung nicht nachhaltig zu gefährden“, erklärt Dr. Jan Henje Driedger, Mitarbeiter der Sektion Epileptologie der Universitätsklinik Heidelberg. Was ihm besonders fehlt, ist eine Studie mit Dup15q-Patienten, um zu analysieren, welche Medikamente gut wirken, und welche nicht. Dr. Driedger betont auch die Bedeutung spezialisierter Zentren, um die Symptomvielfalt zu verstehen und ganzheitliche Behandlungskonzepte zu entwickeln. Ein weiterer Meilenstein des Dup15q e.V. und des interdisziplinären Teams am Universitätsklinikum Heidelberg ist die Etablierung eines Patientenregisters, um medizinische und alltägliche Daten langfristig zu sammeln und auszuwerten. Dies soll helfen, die Lebensqualität der betroffenen Kinder und ihrer Familien zu verbessern.

Die Herausforderungen der Diagnose und Behandlung
Das Dup15q-Syndrom ist für viele Mediziner nach wie vor schwer zu erkennen. Die Liste der Symptome ist lang und variiert stark von Kind zu Kind, was die Diagnose erschwert. Die Forschung geht davon aus, dass in der DACH-Region etwa 6.000 Menschen mit einer falschen Diagnose leben. Repräsentative Forschungen sind unter diesen Voraussetzungen kaum möglich, es gibt nur wenige Mediziner, die sich mit der Krankheit befassen. Verena Romero und andere betroffene Eltern setzen sich daher intensiv dafür ein, das Bewusstsein für Dup15q zu schärfen und die medizinische Versorgung zu verbessern.

Ein starkes Netzwerk und kontinuierliche Unterstützung
Verena Romero engagiert sich unermüdlich für den Verein, treibt das Patientenregister aus der Perspektive der Eltern voran, informiert sich über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und bringt Wissenschaftler und Ärzte aus den unterschiedlichsten Bereichen und Ländern zusammen. Ihre Arbeit und die des Vereins sind von unschätzbarem Wert für betroffene Familien und die medizinische Forschung.

Die Unterstützung des Vereins geht über die medizinische Versorgung hinaus. Neuropsychologin Doreen Balke und Camila Gabriel, Koordinatorin der Spezialsprechstunde, bieten psychologische Unterstützung für Eltern und Geschwisterkinder und helfen bei der Bewältigung des Alltags mit einem Dup15q-Kind.

Ein ganzheitlicher Ansatz für die Zukunft – und Hoffnung für die „Dupis“
Prof. Dr. med. Maja Hempel, Leiterin der Genetischen Poliklinik der Universitätsklinik Heidelberg, betont die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung der Betroffenen über einen langen Zeitraum. Sie erklärt: „Wir können mit den vorhandenen personellen und räumlichen Ressourcen die Sprechstunde nur einmal im Monat aktuell für zwei Patienten anbieten. Aber wir haben auch eine Warteliste. Realistischerweise können die Kinder mit ihren Familien maximal alle drei Jahre zu uns kommen. Für uns ist es wichtig, den Verlauf zu sehen, die Entwicklung im fortschreitenden Alter zu beobachten.“ Das gilt insbesondere für die bisher wenig erforschte Phase ab der Pubertät, die besonders kritisch ist, da sich ausgeprägte Psychosen entwickeln können.

Ein Leben mit „Dupis“, wie die Kinder liebevoll genannt werden, ist kaum planbar und eine ständige Herausforderung durch den permanenten Betreuungsbedarf. Der Verein will die Eltern bestmöglich darauf vorbereiten und sie unterstützen. Zu Beginn erhalten sie ein Willkommensbuch, das persönliche Geschichten, wissenschaftliche Hintergründe und Hilfsangebote auf verständliche Weise verbindet. Herzstück des Vereinslebens ist das jährliche Familientreffen, bei dem sich betroffene Familien austauschen und unterstützen können.

Eberhard Sautter, Vorstandsvorsitzender der HanseMerkur, zeigt sich vom Engagement des Vereins tief beeindruckt: „Gerade vor dem Hintergrund, dass Dup15q noch weitgehend unbekannt ist, gilt es, den unermüdlichen Einsatz dieser Initiative für Betroffene öffentlich zu würdigen und tatkräftig zu unterstützen. Der Verein leistet wertvolle Arbeit bei der Bereitstellung von Informationen, der Förderung von Forschung und der Etablierung spezialisierter klinischer Versorgungsangebote und setzt sich damit für eine bessere Lebensqualität von Menschen mit Dup15q-Syndrom ein. Die Auszeichnung mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz ist ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung für den unentwegten Einsatz des Teams und die positive Wirkung ihrer Arbeit.“

Über den HanseMerkur Preis für Kinderschutz
Im UNO-Jahr des Kindes 1979 gab die HanseMerkur bei Prof. Dr. Hedwig Wallis, damals Direktorin der Psychosomatischen Abteilung an der Hamburger Universitäts-Kinderklinik, eine Studie in Auftrag, welche nachwies, dass die begleitende Mutter zur Beschleunigung des Genesungsverlaufs und zur Vorbeugung gegen seelische Schäden bei stationären Aufenthalten von Kindern entscheidend ist. Diese Erkenntnis mündete ein Jahr später in den „Mutter-und-Kind-Tarif“, mit dem die HanseMerkur als erster privater Krankenversicherer das „Rooming-in“ absicherte. Parallel dazu wurde 1980 erstmals unter dem Motto „Sorge für Kinder ist Vorsorge für die Zukunft“ der HanseMerkur Preis für Kinderschutz ausgeschrieben. Ausgezeichnet werden einzelne Personen, private Initiativen und Gruppen in Deutschland, die sich weitgehend ehrenamtlich und höchst engagiert sowie beispielhaft für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Dies kann im Bereich der psycho-sozialen, der medizinischen oder gesellschaftlichen Hilfe bzw. Vorbeugung geschehen. Eine zehnköpfige Jury aus renommierten Kinderschützern, der unter anderem Prof. Dr. Sabine Andresen (Der Kinderschutzbund), Georg Graf Waldersee (Deutsches Komitee für UNICEF) und Prof. Dr. Sabine Walper (Deutsche Liga für das Kind) angehören, sorgt für den Know-how-Transfer und die Qualitätskontrolle bei der alljährlichen Auswahl exzellenter Initiativen im Kinder- und Jugendschutz. Seit 1980 haben sich über 3.900 Projekte beworben. Ausgezeichnet wurden bislang 183 Projekte, die Preisgelder in Höhe von über 1,4 Millionen Euro erhalten haben.