Laut dem UNICEF-Migrationsbericht 2023 wurden im Jahr 2022 in Deutschland 81.232 Asylerstanträge von Kindern gestellt – 91 Prozent dieser Anträge von Kindern im Familienverbund, neun Prozent von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Die traumatischen Erlebnisse dieser Kinder, die Zeugen von Krieg und Gewalt wurden, sind aktuell u.a. bei geflüchteten Kindern aus der Ukraine und dem Gaza-Streifen zu beobachten. Das Ausmaß der Traumatisierung ist immens, da sie in ihrer Heimat und auf ihrer Flucht schwere psychische Belastungen durchlitten haben. Viele von ihnen haben den Verlust ihrer Häuser oder sogar ihrer Liebsten miterlebt und nehmen ihre verstörenden Erfahrungen in Form von Angst und Unsicherheit nach Deutschland mit.
„TeamUp“: Ein Programm für geflüchtete Kinder
Hier setzt das Programm „TeamUp“ der Kinderhilfsorganisation War Child an: Mit einem in den Niederlanden entwickelten, wissenschaftlich evaluierten Programm aus Spiel, Bewegung und Routinen können die traumatisierten Kinder ihre belastenden Erfahrungen in einem sicheren Rahmen wahrnehmen und zugleich loslassen. Die angeleiteten Bewegungsspiele helfen ihnen dabei, ihren Emotionen Raum zu geben und sie abzuschütteln. „Mit TeamUp möchten wir die Kinder dabei unterstützen, einfach wieder Kind zu sein und dabei selbstbestimmt agieren zu können“, sagt Till Schuster, Projektkoordinator von TeamUp Hamburg, der sich seit 2016 in Flüchtlingsunterkünften engagiert. Das Programm wird aktuell in vier Hamburger Einrichtungen durchgeführt. Ziel ist es, TeamUp dauerhaft anzubieten und den Kindern damit einen beständigen Rahmen zu geben.
„Wir wollen nicht einfach hierherkommen, Spielzeug auspacken und zuschauen, wie sich die Kinder selbst beschäftigen“, erklärt Schuster. „Kinder haben Emotionen und wir müssen lernen, damit umzugehen. Wir machen das Angebot, die Kinder können mitmachen oder auch nur zusehen. Dieser Freiraum muss sein, damit die Kinder wieder die Erfahrung von Selbstbestimmtheit machen können.“
Von immenser Bedeutung: Unterstützung der Flüchtlingsunterkünfte durch ehrenamtliche Initiativen und Kooperationspartner
In Hamburg wird das TeamUp-Programm von War Child u.a. in der Flüchtlingsunterkunft „Am Stadtrand“ in Hamburg-Wandsbek durchgeführt, die als eine der ersten Einrichtungen mit War Child kooperierte. Die Unterkunft, eine ehemalige Zentrale einer Gabelstaplerfirma, bietet Platz für 688 Menschen. Adrian Gerling, Leiter der Einrichtung der F&W Fördern und Wohnen AöR, erläutert, dass die geflüchteten Menschen Unterstützung von verschiedenen Kooperationspartnern und teils ehrenamtlichen Organisationen erhalten, die die Arbeit der Verwaltung vor Ort sinnvoll ergänzen. Sie helfen unter anderem im Behörden-Dschungel und im medizinischen Bereich, bieten aber auch Beschäftigungsprogramme für Kinder an. Die Anbindung im Bezirk funktioniert nicht immer, sodass die Initiativen meist direkt ins Haus kommen. „Es ist wichtig, dass die Kinder hier sinnvoll beschäftigt sind“, betont Gerling. „Die Kooperationspartner und Ehrenamtlichen werden dabei zu wichtigen Bezugspersonen und nehmen auch kleinste Auffälligkeiten wahr.“
Ablauf der „TeamUp“ Sessions: Individuelle Gestaltung und Evaluation
Die Spiele einer TeamUp-Session richten sich immer nach einem wechselnden psychosozialen Thema, wie z.B. Wut, Angst oder Freundschaft. Nach jeder Einheit folgt eine Evaluation durch die Ehrenamtlichen und Trainer, um den Schwerpunkt für die nächste Woche festzulegen. Die Anleitungen dazu finden sich im sogenannten „Game Book“, das rund 150 Spiel- und Bewegungsanleitungen enthält.
Das Programm wird immer zu zweit, manchmal zu dritt begleitet. Die Teilnehmerzahl ist unbegrenzt, jeder ist willkommen und soll bei einfachen Spielen wie Stopptanz oder Seilspringen Spaß haben. Das Programm ist so konzipiert, dass es weitestgehend ohne Sprache funktioniert, auch wenn die Kinder teilweise gut Deutsch sprechen.
Unabdingbar ist dabei das ehrenamtliche Engagement der Moderatorinnen und Moderatoren: Die Ausbildung der Ehrenamtlichen dauert ein Wochenende und umfasst neben dem eigentlichen TeamUp-Programm auch Themen wie Kinderschutz und kulturelle Unterschiede.
Eindruck und Ausblick
Die Umsetzung des TeamUp-Programms in Hamburg-Wandsbek zeigt eindrucksvoll, wie das Projekt geflüchtete Kinder stärkt und ihnen in ihrem oft tristen Alltag positive Erlebnisse bietet. War Child nutzt die Methoden des Programms in über 26 Ländern und strebt eine flächendeckende Verbreitung an. Dazu Eberhard Sautter, Vorstandsvorsitzender der HanseMerkur: „Das Engagement von War Child Deutschland und die Umsetzung des TeamUp-Programms sind vorbildlich im Kinderschutz. Sie zeigen, wie wichtig es ist, aus Kriegsgebieten geflüchteten Kindern durch sinnvolle Beschäftigung und einfühlsame Betreuung Halt zu geben und sie in ihrer schwierigen Lebenssituation zu unterstützen. Angesichts der vielen aktuellen Konflikte, die das Wohlergehen von Kindern weltweit bedrohen, u.a. in der Ukraine, im Jemen oder in der Demokratischen Republik Kongo, ist diese Arbeit so wichtig wie selten zuvor. Mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz würdigen wir diese wertvolle Arbeit und ermutigen War Child, ihren Einsatz fortzusetzen, um durch den Ausbau des TeamUp-Programms noch mehr geflüchtete Kinder zu unterstützen. Von daher berührt es mich persönlich sehr, dass die Belegschaft der HanseMerkur diese Initiative einstimmig als Gewinner des Mitarbeiterpreises gewählt hat, was die Bedeutung des TeamUp-Programms noch unterstreicht.“
Über den HanseMerkur Preis für Kinderschutz
Im UNO-Jahr des Kindes 1979 gab die HanseMerkur bei Prof. Dr. Hedwig Wallis, damals Direktorin der Psychosomatischen Abteilung an der Hamburger Universitäts-Kinderklinik, eine Studie in Auftrag, welche nachwies, dass die begleitende Mutter zur Beschleunigung des Genesungsverlaufs und zur Vorbeugung gegen seelische Schäden bei stationären Aufenthalten von Kindern entscheidend ist. Diese Erkenntnis mündete ein Jahr später in den „Mutter-und-Kind-Tarif“, mit dem die HanseMerkur als erster privater Krankenversicherer das „Rooming-in“ absicherte. Parallel dazu wurde 1980 erstmals unter dem Motto „Sorge für Kinder ist Vorsorge für die Zukunft“ der HanseMerkur Preis für Kinderschutz ausgeschrieben. Ausgezeichnet werden einzelne Personen, private Initiativen und Gruppen in Deutschland, die sich weitgehend ehrenamtlich und höchst engagiert sowie beispielhaft für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Dies kann im Bereich der psycho-sozialen, der medizinischen oder gesellschaftlichen Hilfe bzw. Vorbeugung geschehen. Eine zehnköpfige Jury aus renommierten Kinderschützern, der unter anderem Prof. Dr. Sabine Andresen (Der Kinderschutzbund), Georg Graf Waldersee (Deutsches Komitee für UNICEF) und Prof. Dr. Sabine Walper (Deutsche Liga für das Kind) angehören, sorgt für den Know-how-Transfer und die Qualitätskontrolle bei der alljährlichen Auswahl exzellenter Initiativen im Kinder- und Jugendschutz. Seit 1980 haben sich über 3.900 Projekte beworben. Ausgezeichnet wurden bislang 183 Projekte, die Preisgelder in Höhe von über 1,4 Millionen Euro erhalten haben.