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Diagnose Brustkrebs: Medizinische Fakten und persönliche Hilfe – ein Gespräch mit dem Mammazentrum Hamburg

Wenn jede achte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkrankt, ist das keine abstrakte Zahl – es ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, der zeigt, wie dringend wir über Prävention, Forschung und Solidarität sprechen müssen. Beim internen Lunch-Event der HanseMerkur mit Prof. Dr. Felix Hilpert, Operateur am Mammazentrum Hamburg – dem größten Fachzentrum für Brusterkrankungen in Deutschland, angeschlossen an das Jerusalem Krankenhaus – sowie Angelika Grau, Vorständin der Stiftung Mammazentrum, wurde deutlich: Früherkennung, moderne Therapien und ganzheitliche Begleitung sind entscheidend. Im Interview sprechen die beiden über weitverbreitete Mythen, neue Chancen auf Heilung und die zentrale Rolle der „Breast Care Nurses“. Ein Gespräch über medizinischen Fortschritt, seelische Stärke – und darüber, wie jede und jeder von uns zur Unterstützung beitragen kann.

Herr Hilpert, gibt es beim Thema Brustkrebs besonders hartnäckige Mythen, die Sie gerne aufklären möchten?
Prof. Dr. Felix Hilpert: Tatsächlich gibt es einige Irrtümer. Viele denken beispielsweise, Brustkrebs sei überwiegend erblich. Das ist aber nur bei etwa 5 bis 10 Prozent der Fälle so. Der Großteil entsteht spontan, ohne familiäre Vorbelastung. Sich darauf auszuruhen, ist daher eine trügerische Strategie. Ein zweiter Punkt: Ein gesunder Lebensstil ist ohne Frage wichtig, schützt aber nicht vor dieser Erkrankung – selbst Frauen, die sich sehr bewusst ernähren und Sport treiben, können erkranken. Und drittens – eine Frage, die mir häufig gestellt wird: Ja, auch Männer können an Brustkrebs erkranken. Allerdings betrifft das nur wenige Hundert Fälle pro Jahr in Deutschland und spielt daher in der Gesamtbetrachtung eine untergeordnete Rolle. Trotzdem ist es wichtig, dieses Halbwissen geradezurücken und einzuordnen.

Wie hat sich die Prognose für Brustkrebspatientinnen in den vergangenen Jahren verändert?
Prof. Dr. Felix Hilpert: Die Prognose ist heute deutlich besser als noch vor einigen Jahren. Nach wie vor ist die Größe eines Tumors der entscheidende Punkt, das heißt: Je größer der Tumor, desto schlechter die Überlebenswahrscheinlichkeit. Aber es hat sich viel getan, insbesondere in der Früherkennung. Ein früh entdeckter Tumor erhöht die Chancen auf Heilung erheblich. Die Einführung des Screenings, die Entwicklung neuer, hochwirksamer Medikamente und die Etablierung spezialisierter Brustkrebszentren mit zertifizierten Qualitätsstandards haben die Versorgung spürbar verbessert. Behandlungen sind heute individueller, präziser und besser abgestimmt. Frauen leben länger nach der Diagnose, werden häufiger geheilt – und selbst bei unheilbaren Verläufen steigt die Lebenserwartung. Die Sterblichkeit sinkt langfristig.

Frau Grau, wie kamen Sie dazu, die Stiftung Mammazentrum zu gründen, und was ist deren Hauptanliegen?
Angelika Grau: Der Anstoß kam aus der Praxis: Wir haben erlebt, wie wichtig ganzheitliche Unterstützung für Patientinnen ist. Am Anfang stand die Idee, nachhaltige Hilfe zu bieten – daraus wurde 2008 die Stiftung gegründet. Durch einen Fall einer jungen Frau, die in Deutschland erkrankte und dann nach Australien zum Studium ging, haben wir von der Funktion der Breast Care Nurses erfahren, die heute ein elementarer Baustein unserer Arbeit sind. Sie sind das Bindeglied zwischen den Ärzten und den Patientinnen, helfen bei Fragen zu Haushalt, Reha, Kinderbetreuung oder auch bei seelischen Belastungen. Sie sind inzwischen eine anerkannte Funktion und begleiten die Patientinnen durch alle Phasen.

Prof. Dr. Felix Hilpert vom Mammazentrum Hamburg und Angelika Grau von der Stiftung Mammazentrum zusammen mit Verena Kaus von der HanseMerkur, die durch den HanseWOMEN-Lunch führte.

Prof. Dr. Felix Hilpert vom Mammazentrum Hamburg und Angelika Grau von der Stiftung Mammazentrum zusammen mit Verena Kaus von der HanseMerkur, die durch den HanseWOMEN-Lunch führte. | HanseMerkur

Was sind typische Sorgen und Ängste von Brustkrebspatientinnen, die oft übersehen werden?
Angelika Grau: Das ist sehr unterschiedlich und hängt stark davon ab, wie eine Patientin die Diagnose mental verarbeitet. Zunächst erleben alle einen Schockmoment – die Angst, dass das gewohnte Leben plötzlich aus den Fugen gerät. Und schnell stellen sich existenzielle Fragen: Wie gehe ich damit um? Was ist der nächste Schritt? Wo bekomme ich Hilfe – und wo kann ich sie überhaupt in Anspruch nehmen? Die Reaktionen sind ganz individuell. Manche sagen: „Das ist jetzt meine Mission, da muss ich durch – und ich will da durch.“ Andere erleben einen völligen Zusammenbruch und haben das Gefühl, ihr Leben nicht mehr bewältigen zu können.

Prof. Dr. Felix Hilpert: Ich sehe das genauso – die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Manche Frauen geraten durch die Erkrankung auch in eine existenzielle wirtschaftliche Notlage. Und je nach Lebensphase sind die Sorgen verschieden: Das ist die 25-Jährige, die gerade ihr Studium beginnen will, die 28-Jährige, die eigentlich heiraten wollte. Oder die 45-Jährige, die mitten in ihrer Karriere steht. Bei uns erhält jede Patientin psychoonkologische Unterstützung. Gemeinsam mit den Breast Care Nurses ermitteln wir den individuellen Bedarf. Die Breast Care Nurses sind von Anfang an eng an der Seite der Patientinnen und helfen, die passende Unterstützung zu finden.

Welchen Tipp geben Sie Frauen und auch Angehörigen in Bezug auf Früherkennung und den Umgang mit der Diagnose?
Prof. Dr. Felix Hilpert: Ich rate jeder Frau, die eigene Brust einmal im Monat abzutasten. Wer Veränderungen bemerkt, sollte zum Frauenarzt gehen und auf einer gründlichen Abklärung bestehen. Angehörigen rate ich: Weniger Ratschläge, mehr Beistand. Zuhören, im Alltag unterstützen und einfach da sein – das hilft oft mehr als gut gemeinte Tipps.

Wie kann die Öffentlichkeit die Arbeit der Stiftung Mammazentrum unterstützen?
Angelika Grau: Unsere Arbeit lebt von Spenden und Impulsen von außen. Wer uns unterstützen möchte, kann spenden, aber auch Ideen oder Anregungen weitergeben, die wir prüfen und eventuell umsetzen können. Veranstaltungen, Gesprächskreise und Aktionen wie Sport oder sogar Segelangebote sind nur durch dieses Engagement möglich. Jede Hilfe, ob finanziell oder ideell, kommt direkt den Patientinnen zugute.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Hinweis: Neben der regelmäßigen medizinischen Vorsorge wird auch das eigenständige Abtasten der Brust empfohlen. Die Stiftung Mammazentrum stellt hierzu eine anschauliche Anleitung bereit und informiert darüber, worauf besonders zu achten ist.